Dienstag, 23. Februar 2016

Bürgerdialog Stromnetz in Bad Brückenau

Am Montagabend, 22. Februar, waren wir zu Gast beim Bürgerdialog Stromnetz. Das Unternehmen ist beauftragt und finanziell gefördert vom Bundeswirtschaftsministerium; V.i.S.d.P. ist Dr. Peter Ahmels; selbst angehörter Berater im entscheidenden Ausschuss des Bundestages im Dezember zur Änderung des EnLAG. Wir hatten in einem zurückliegenden Post über den gesamten Beraterkreis und deren Beziehungen zur Stromwirtschaft berichtet.



Insgesamt zählte der Saal keine 40 Zuhörer. Als Leitthema des Abends wurde ein Vortrag aus der Wissenschaft "Gefahren durch Strom" präsentiert. Fachkundig wurden uns also die Unterschiede zwischen Elektrischen und Magnetischen Feldern erklärt und zu Beginn herausgestellt, man könnte keine "Unbedenklichkeit" unterschreiben. Hielte man sich aber an die wissenschaftlichen Fakten, könne man auch keine "Bedenklichkeit" im Zusammenhang mit dem Netzausbau erkennen. Wir nehmen folgende Grundaussagen mit:

Die Feldstärkenwirkung reduziert sich nach Aussage der Wissenschaft in einer Entfernung von ca. 200  Meter (abhängig auch von der Induktion) auf die dauerhaft auf uns einwirkende Erdfeldstärke
Auf unsere Nachfrage, warum man dann nicht zumindest diesen Mindestabstand - wie ihn ja auch viele Bürgerinitiativen einfordern - gesetzlich bei der Änderung des EnLAG festgeschrieben hat: Das sei eine politische Entscheidung und die Politik folge nicht immer der Wissenschaft. Zugleich wurde aber weiter betont, dass es auch unter diesen 200 Metern keine verlässlichen Studien gibt, die einen kausalen Zusammenhang zu Gesundheitsrisiken - z.B. Leukämie - gibt.

Verschiedenste Studien aus der Wissenschaft, die diesen Zusammenhang als "wahrscheinlich" oder "relativ" herstellen, wurden sogleich fachkundig und wissenschaftlich in Frage gestellt. Mal war es die Vergleichbarkeit, dann wieder die Referenzzahl der Untersuchten oder schlichtweg die wissenschaftliche Methodik. Unter dem Strich: Keine dieser Studien könne wissenschaftlich als Grundlage für Ängste oder Protest genommen werden. Mathematisch wurde es bei der Bristol-Studie (Leukämie bei Kindern). Das errechnete, relative Risiko läge bei (ACHTUNG) "kleiner ein Kind" - so man eine kausale Beziehung herstellen könne. Das ist uns ein Kind im Feldversuch zu viel.

Wir fragten auch nach der Empfehlung der Deutschen Strahlen-Schutzkommission. Die SSK hatte Humanstudien zur Erforschung der Wirkung (insbesondere der komplett unerforschten HGÜ-Leitungen) empfohlen. Die Antwort: Es gab auf diese Empfehlung hin keinerlei politische Reaktion und damit auch keinen Auftrag an die Wissenschaft.

Unser Fazit:
Gezielt versucht man nun die Bedenken vieler Bürgerinitiativen zum Thema Gesundheitsvorsorge auszuräumen. Doch wer selbst keine Studie zur Unbedenklichkeit vorweisen kann und politisch dies auch nicht anstrebt (SSK-Anregung), der wirkt wenig glaubhaft und beruhigend, wenn er ständig alle anderen Studien wissenschaftlich zerpflückt und für wenig relevant deklariert.

Bürgerdialog Stromnetz betont zwar seine Unabhängigkeit, aber wer glaubt das, wenn jeder Flyer das Logo des Bundesumweltministeriums trägt. Und das man dort und bei den Netzbetreibern und Stromkonzernen den Netzausbau will und braucht, wissen wir ja hinreichend. So beginnt der Veranstaltungsflyer auch mit den Worten: Die Energiewende erfordert einen Um- und Ausbau der Stromnetze! Der Bedarf, insbesondere unter dem Blickwinkel einer Bürgerenergiewende wird weiter nicht diskutiert bzw. unabhängig nachgewiesen.

TenneT:
Als Zuhörer war auch Herr Wagner von TenneT im Saal. Wir nutzten das Treffen und fragten nach:
In der Tat ist TenneT mit den Landkreises der Hamelner Erklärung bereits im Dialog. Unser Landkreis hat diese Erklärung nicht unterzeichnet. Herr Wagner geht davon aus, dass wir frühestens im Sommer (Juni/Juli) mit einer ersten Trassenplanung rechnen dürfen. Die alten Korridor-Unterlagen seien alle gelöscht worden und man warte nun auf die genaue Methodik-Vorgaben. Ob das so stimmt zweifeln wir an. Diese Aussage würde ja bedeuten, TenneT könnte eine komplett neue Grobplanung innerhalb von vier Monaten aufstellen. Viel wahrscheinlicher: Die alte Linien werden modifiziert und an die neuen Erfordernisse und politischen Lager angepasst. Das darf er so natürlich nicht sagen. Auf unseren Hinweis, warum man weiter keine unabhängige Bedarfsfeststellung bei der Politik anstrebe, verwies Wagner lächelnd auf die Gaswirtschaft. Das sagt doch eigentlich alles!