Wir haben am 23. März unseren Offenen Brief an die Verantwortlichen der Politik und der Bundesnetzagentur versandt. Hier kann unsere Forderungen und Argumente gerne jeder lesen.
Die Unterzeichner für die BI:
Willi Balkie, Marktgemeinderat Burgsinn, Robert Herold, Erster Bürgermeister Burgsinn,
Hans-Georg Linke, Dritter Bürgermeister Mittelsinn, Marco Scholz (Marktgemeinderat Burgsinn), Torsten Höfling (Marktgemeinderat Burgsinn) und Johannes Pfeifroth (BI-Lenkungsgruppe).
Offener Brief und Forderungskatalog i.S. SüdLink
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,
sehr geehrter Herr Ministerpräsident Seehofer,
sehr geehrte Bundes- und Landesministerinnen,
sehr geehrter Herr Homann,
sehr geehrte Damen und Herren im Petitionsausschuss,
stellvertretend und im Namen mehrerer hundert Mitglieder
unserer Bürgerinitiative möchten wir
Ihnen anlässlich der aktuellen SüdLink-Planungen offen unsere und deren Sorgen
mitteilen. Die Ausführungen verbinden wir mit konkreten Anregungen und
Forderungen und hoffen auf Ihre politische Einflussnahme im Rahmen Ihrer
Möglichkeiten.
Die Firma TenneT hat am 12. Dezember 2014 den Antrag auf
Bundesfachplanung (§ 6 NABEG)
eingereicht.
Darin wird unsere Region als möglicher, alternativer
Korridor für eine Trassenplanung genannt und im Wesentlichen in der Bewertung
dem priorisierten Korridor gleichgestellt. Erstmals im August 2014 wurden die
Menschen bei uns mit dem Vorhaben konfrontiert.
Die Firma TenneT hebt in der Begründung unserer
Alternative auf das Ergebnis des Bürgerdialogs entlang der Vorrangtrasse ab.
Entsprechende Raumhinweise von Bürgern im Sinne des „Florianprinzips“ finden
sich nachweislich im Antrag; leider ist sich auch der Freistaat Bayern
darunter. Eine Quellen- und Nachweisanfrage unserer Bürgerinitiative zur
letztgenannten Instanz ist bis heute unbeantwortet.
Die nun anstehenden Antragskonferenzen haben das Ziel
einen Untersuchungskorridor festzulegen. Das Verfahren ist durch das
Netzausbaubeschleunigungsgesetz (NABEG) stringent skizziert. Im Anschluss steht der Antrag gemäß § 8 NABEG
und die verbindliche Festlegung des Korridors für das
Planfeststellungsverfahren. Mit der aktuellen Nachbesserungsaufforderung durch
die Bundesnetzagentur ist das Problem für uns nur zeitlich verschoben; nicht
jedoch aufgehoben.
Der Netzausbauplan 2014 weist mit Blick auf die
Normierungen des NABEG mit C2024 ein für uns alle beängstigendes Szenario aus.
Die Szenarien basieren auf inaktuellen (Bundesbedarfsplan 2013),
nicht-lobbyfreien Daten. Die Ausbauplanung wurde überdimensioniert nach dem
Marktmodell („Der Billigste hat Vorfahrt“) berechnet, eingefordert und
politisch beschlossen. Aktuelle Daten aus Wirtschaft und Wissenschaft stellen
den Bedarf von SüdLink aber mit hoher Wahrscheinlichkeit in Frage. Leider geht
Herr Wagner von der Firma TenneT auch in Kenntnis der neuen Bedarfszahlen
(Bundesbedarfsplan 2015) von einer Notwendigkeit aus. Dies äußerte er auf
Nachfrage in einer Sitzung des Kreistages Main-Spessart am 13. Februar.
Zugleich räumte er vor Zeugen ein, dass SüdLink keine Frage der
Versorgungssicherheit sei.
Wir lehnen SüdLink und nachfolgende Szenarien entschieden
ab. SüdLink ist nachweislich als Freileitung beantragt; lediglich 10 Prozent
der Strecke können/dürfen in der Erde verkabelt werden. Auch wenn
zwischenzeitlich Werte von bis zu 25 Prozent kursieren, können sich die
betroffenen Regionen und Menschen auf keine verbindlichen Aussagen zu den
Streckenabschnitten berufen. Die von uns vertretenen Menschen wollen weder den
Eingriff in Ihre Natur und Ihre Heimat hinnehmen noch sich den gesundheitlichen
Risiken der Gleichstrom-Trasse aussetzen. Die Kosten für eine Erdverkabelung werden
von den Netzbetreibern nicht wahrheitsgemäß kommuniziert. Auch bei den
Raumdimensionen einer Erdverkabelung zeigen sich Differenzen zu anderen
Fachfirmen. Generell dürfte die Akzeptanz einer Erdverkabelung tendenziell
ungleich höher sein in der Bevölkerung.
Die Deutsche Strahlenschutz-Kommission führte in 2014
aus, dass mangels Daten kein Schwellenwert für Gleichstrom benennbar sei und
riet zu Humanstudien. Die Auswirkungen von Gleichstromtrassen sind noch
gänzlich unerforscht. Wir wollen dieser Feldversuch nicht sein. Der Grenzwert
bei Gleichstrom liegt bei unglaublichen 500 MikroTesla (Wechselstrom bei 200
MikroTesla). Verschiedene Studien (Bristol-Studie und in 2001 die Universität
Mainz) weisen eine gesundheitsschädliche Wirkung bei Wechselstrom nach. Bei
SüdLink ist zusätzlich mit schädlichen Raumladungswolken durch Winddrift zu
rechnen. Der Vorsorgewert bei Wechselstrom wurde in der Schweiz in 2001
vergleichsweise auf 1 MikroTesla gesenkt.
Das NABEG skizziert exakt das Planungsverfahren und greift
dabei, z.B. mit Veränderungssperren, in das Kommunale Selbstverwaltungsrecht
ein. Eine bundeseinheitliche Abstandsreglung von HGÜ-Leitungen überließ der
Gesetzgeber aber den Ländern. In Bayern und Hessen, deren Menschen wir regional
vertreten, gibt es hierzu keinerlei Regelungen. Und auch die
Niedersachsen-Regelung wird im Hinblick auf Planungsrechte (Bund/Land)
diskutiert und steht juristisch auf wackeligen Beinen.
Die Bundesnetzagentur und auch TenneT haben
zwischenzeitlich eingeräumt, dass SüdLink entgegen der Bewerbung keine (reine)
"Windstrom-Leitung" ist und der Großteil des zu transportierenden
Stroms aus umweltschädlicher Kohle gewonnen wird. Fachleute aus Wirtschaft und
Wissenschaft zweifeln die, für die Planung zugrundeliegenden Mindest- und
Spitzenleistungsberechnungen für Bayern und Baden-Württemberg an.
Bayern produzierte in 2012 knapp 9,5 GW ohne
Atomkraftwerke. Eine recherchierbare Bedarfsberechnung kommt auf eine
erforderliche Spitzenlast für Bayern von ca. 12,5 GW (rechnerische Deckungslücke ca. 3 GW). Die aktuelle Planung für das
Leitungsgestänge von SüdLink geht bereits von 4 GW Transportleistung aus. Das
Szenario C2024 (NEP 2014) skizziert mehrere Mastreihen mit etwa 10 GW
Transportleistung; ein Vielfaches mehr als für Bayern erforderlich. Aktuell
werden bereits Leitungen mit ausreichender Kapazität aus Thüringen nach Bayern
gebaut.
Mit dem Schlagwort „Versorgungssicherheit“ hebt man
SüdLink zur Hauptschlagader einer Energiewende ab 2022 heraus und ängstigt die
Bevölkerung mit Kerzenschein-Szenarien und Preistreiberei. Fachleuten zufolge
kann im Netz nur ein kurzfristiger Ausfall (z.B. durch Unwetter oder Anschlag)
von maximal 3 GW nachgeregelt werden. Wollen Sie wirklich eine risikoreiche
Strom-Arterie als Freileitung weiter unter diesem Gesichtspunkt planen? Oder
erfüllen Sie mit dem Leitungsbau nur Wünsche der Wirtschaft und/oder der
EU-Kommission (PCI)?
Wir wollen mit unserer Natur kein Opfer skrupelloser
Wirtschaftsinteressen werden. Die Energiewende ist im Grundsatz ein richtiges
und wichtiges Ziel. Dies kann und darf aber nicht zu Hauptlasten der
Bevölkerung und zugunsten der Stromkonzerne und Netzbetreiber gehen. Unsere
Bevölkerung hat in den zurückliegenden Jahren eindrucksvoll und als globales
Vorbild den Willen zur Energiewende bewiesen und dabei bereits erhebliche Anstrengungen unternommen; ganz gleich ob
EEG-Umlage oder Eigeninvestitionen in Solar-, Windenergie und/oder
energetischer Sanierung von Wohnraum. Andere Europäer bleiben diese Entwicklung
noch schuldig.
Wie kann es sein, so fragen sich unsere Bürgerinnen und
Bürger, dass die Netzbetreiber mit einer gesicherten Rendite von mindestens 9 %
auf Jahrzehnte gesättigt werden? Ihrer Verantwortung unterliegt neben der
Wirtschaft auch der Schutz der Bevölkerung.
In 2013 exportierten die Stromkonzerne rund 31 Milliarden
KWh und erwirtschafteten allein mit dem Handel von EEG-Strom (Statistisches
Bundesamt) knapp 2 Milliarden Euro Umsatz. Die Zeche der deutschen
Strompreispolitik bezahlt schon seit Jahren der private Haushalt und
Deutschland steht damit hinter Dänemark im europäischen Vergleich ganz weit an
der Preisspitze. Sollen unsere Bürger nun auch noch mit ihrer Lebensqualität
bezahlen?
Ein Schweizer Gutachten belegt bereits bei einer
Wechselstrom-Freileitung einen kalkulierbaren Wertverfall von bis zu 40 Prozent
bei Immobilien und Grundstücken. Alleine die Sicht auf eine solche Trasse
schlägt mit bis zu 20 Prozent zu Buche. Der Bau von SüdLink als Freileitung
käme einer massiven Enteignung von Privateigentum gleich. Wie wollen Sie für
diesen Schaden aufkommen?
Die kommunalpolitischen Gremien und Verantwortungsträger
mühen sich nach Kräften einem demografischen Wandel in der Gesellschaft
entgegenzutreten. Zeitgleich kämpfen wir speziell in unserer ländlichen Region
gegen eine schwache Infrastruktur an. Der geplante Eingriff unterläuft dieses
Engagement in erheblichem Maß und schädigt unser Naturbild mit allen
Nebeneffekten nachhaltig.
Viele Menschen hier, darunter auch Verlautbarungen von
Bürgermeistern, bezeichnen das Planungsszenario bewusst und in Kenntnis unserer
regionalen Probleme als „Todesstoß“ für unsere Heimat.
Wir fordern Sie zu einem grundsätzlichen Umdenken auf.
Unabhängig von einer Projektrealisierung in der von uns vertretenen Region
fordern wir …
► treten
Sie in ein breites Moratorium ein
und diskutieren Sie Bedarf, Zweck und Erfordernis unter Berücksichtigung
aktueller Daten. Stoppen Sie das
aktuelle Planungsverfahren!
► stellen
sie den gegenwärtigen und zukünftigen
Strombedarf im Süden (Bayern und
Baden-Württemberg) durch ein lobbyfreies,
unabhängiges Institut fest und vergleichen Sie das Ergebnis mit dem neu zu
erstellenden Bundesbedarfsplan 2015.
► fördern
und berücksichtigen Sie bei der Kalkulation die Entwicklung regionaler und technologischer Möglichkeiten; auch und
gerade in den Speichertechnologien.
► fördern
Sie regionale Lösungsansätze und ändern Sie das Marktmodell. Was ist
Ihnen die Energiewende tatsächlich wert?
► lassen
Sie regionale Konzeptanalysen
durchführen und schaffen Sie Anreize für
dezentrale Energiekonzepte.
► entschädigen Sie bei Freileitungsbau
alle Immobilien- und Grundstücksbesitzer.
Dies schließt auch Sichtbeziehungen mit ein.
► schaffen
Sie durch Änderung des NABEG eine bundeseinheitliche,
verbindliche Regelung der Mindestabstandsflächen. Beispielhaft sei hier die
10H-Regelung in Bayern bei Windkraftanlagen erwähnt.
► regeln
Sie durch Gesetzgebung eine einheitliche,
bundesweite Strompreisgestaltung analog dem Länderfinanzausgleich. Regionen
mit problematischer Erzeugerstruktur dürfen gegenüber erträglicheren Regionen
nicht benachteiligt werden (Nord-Süd-Gefälle). Auch dies ist Solidarität. Der
Süden hat Jahrzehnte den Norden subventioniert.
► setzen
Sie notfalls die Energiewende fernab einer kalendarischen Abschaltmarke
sukzessive unter Berücksichtigung der regionalen und technologischen
Möglichkeiten um; auch wenn dies örtlich im konkreten Bedarfsfall eine
Verlängerung der AKW-Laufzeit (konkret begründet und benannt) über 2022 hinaus
bedeutet. Wir sind uns aber sicher, dass es diese Rückkehr zur punktuellen
Laufzeitverlängerung nicht braucht.
Sollte der Bau von SüdLink nicht abwendbar sein, fordern
wir mit Nachdruck für unsere Region …
► eine
durchgängige Erdverkabelung von
SüdLink und allen weiter daran anschließenden Leitungen (C2024). Etwaige, durch
die Netzbetreiber nicht zu realisierende Mehrkosten sind staatlich zu deckeln
(z.B. durch freie Mittel aus dem Solidaritätsbeitrag.
Gerne laden wir Sie herzlichst zu einem Besuch in unserer
Region ein. Verschaffen Sie sich ein Bild von unserer waldreichen Landschaft zwischen
Rhön und Spessart, deren Zukunft und Charakteristik Sie nachhaltig durch die
bestehenden SüdLink-Pläne schädigen wollen.
Wir würden uns freuen, dürften wir Sie hier für ein
konstruktives und informatives Gespräch begrüßen.
In Erwartung Ihrer Antwort und Ihrem politischen
Engagement verbleiben wir.
Mit freundlichem Gruß